29.11.2022 | Blog

Weibliche Führung – was soll das sein?

Ein Artikel von: Christin Colli

​“Female Leadership“ ist in aller Munde. Das liegt daran, dass Führung traditionell mit Männlichkeit gleichgesetzt wurde. Der Männlichkeit wurden Eigenschaften zugeschrieben, die für Führung als unerlässlich galten wie z.B. Problemlöse- und Analysefähigkeit, Durchsetzungsstärke, die Fähigkeit, Gefühle beiseitezuschieben, um ein Ziel zu erreichen usw.

Dies hat unter anderem damit zu tun, dass unsere wirtschaftlichen Organisationsstrukturen aus dem Militär übernommen wurden. Militärische Organisationsstrukturen gibt es schon lange. Zur Zeit der Industrialisierung war es naheliegend sich beim Militär die notwendigen Organisationsstrukturen abzugucken und für zivile Zwecke anzupassen. Frauen hatten bis vor wenigen Jahrzehnten weder im Militär noch in den Führungsetagen der Wirtschaft etwas verloren. Beides waren reine Männerclubs, durch und durch hierarchisch organisiert.

Female Leadership bedeutet mehr Frauen in Führungspositionen

Seit einigen Jahrzehnten dürfen Frauen „mitspielen“. Frauen in Führungspositionen ist ein sich verstärkender Trend. In deutschen Führungsetagen arbeiteten im Jahr 2021 rund 29 % Frauen. Dabei liegt Deutschland im EU-weiten Ranking der 27 Mitgliedstaaten auf Platz 20.

Außerdem gilt nach wie vor: Je höher die Hierarchiestufe, desto kleiner ihr Anteil. Im Jahr 2021 betrug der Anteil von Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen 14,7 Prozent. Das ist eine extreme Ungleichverteilung von Macht.

Hinzu kommt, dass die negativen Seiten des traditionellen Führungsstils, Attribute wie Rücksichtslosigkeit, Egoismus und übermäßige Risikobereitschaft offensichtlich zu großen Krisen führen, wie Finanzkrisen, Kriegen und dem drohendem Ökokollaps.

Female Leadership als Verheißung für eine bessere Welt?

Mit Female Leadership verbinden sich viele Hoffnungen, besonders seitdem wir mit Informationen über Krisen im Sekundentakt überschüttet werden.

Dabei wird schnell deutlich, dass es sich dabei eher um eine Umorientierung hin zu anderen Werten handelt als um die Anerkennung spezifischer Eigenschaften von Frauen.

Tatsächlich sind Frauen oft ebenfalls die Hüterinnen des Patriarchats, da sie ähnlich interessengeleitet handeln wie Männer und deshalb häufig Verhalten an den Tag legen, das in einem männerdominierten Umfeld erfolgsversprechend ist. Dies gilt auch für viele Frauen in Führungspositionen.

Traditionell sind Werte wie Partizipation, Empathie, Kooperation, Bedürfnisorientierung, Teilen und Schenken eher in weiblich dominierten Domänen angesiedelt, wie beispielsweise in der Familie oder auch im Ehrenamt. In der Wirtschaft sind diese Werte immer noch selten. Dort wurden sie lange als kontraproduktiv für erfolgreiches Wirtschaften verstanden.

In der nun aufflammenden Betonung und Befürwortung eines weiblichen Führungsstils werden bei genauerer Betrachtung weiterhin traditionelle Werte und klassische Rollen manifestiert. Die Aufteilung in Erwerbsarbeit und Haus- und Fürsorgearbeit ist seit dem Aufstieg des Bürgertums vor etwa 300 Jahren die Grundlage für Geschlechterungerechtigkeit: Frauen kümmern sich, Männer leiten die Geschicke der Welt. Mit dem Verweis auf angeblich inhärent weibliche Führungsqualitäten bleibt diese Arbeitsteilung dann sogar in der Führungsetage erhalten. Ein Bild von weiblicher Führung kann also nicht nur ein positives Modell für mehr Frauen in Machtpositionen sein, sondern schränkt Frauen in Führungspositionen auch ein und manifestiert Stereotypen.

Aus der Geschichte heraus ist leicht zu verstehen, dass viele Frauen andere Werte besser eingeübt haben und genau deshalb im wirtschaftlichen Kontext oft als inkompetent betrachtet wurden. Es zeigt sich, dass Menschen, die sich an Werten wie Kooperation, Empathie und Bedürfnissen orientieren, besonders in Krisen sehr erfolgreich sind, da sie schneller auf die Bedürfnisse der Betroffenen reagieren und damit den Weg für rasche Anpassungen und Umbau freimachen. Da wir uns im Dauerkrisenmodus befinden und sich dieser Zustand eher noch intensivieren wird, sind genau diese Qualitäten gefragt.

Es geht also um einen grundsätzlichen Haltungswandel in der Wirtschaft. Dieser bedarf tatsächlich der Erweiterung traditioneller Vorstellungen von Führung, die mit traditionellen Männlichkeitsbildern einhergehen und Weiblichkeit abwerten.

Ciao – Männliche Führungskulturen

Die Konstruktion von Führung als weiblich kritisiert die aktuelle männliche Dominanz. Sie stellt männlich geprägte Normen wie Rationalität in der Wirtschaftswelt als einzige Handlungsorientierung infrage.

Um den Führungsstil aller Frauen zu beschreiben, taugt Female Leadership nicht. Frauen in der Führung und ein weiblicher Führungsstil sind nicht immer identisch.

Der ganze Rummel über männliche oder weibliche Führung zeigt, dass wir auf der Suche nach alternativen Werten sind. Das Konzept fungiert als Kontrast zu konventionellen Vorstellungen von Führung und Management und leistet einen Beitrag zur Neudefinition guter Führung.

 Neue Spielregeln

Organisationen, die von Frauen aufgebaut und geleitet werden, gibt es noch nicht viele. Sind Frauen in der Führung immer noch selten, so sind sie es als Unternehmerinnen erst recht. Viele Frauen sind Einzelunternehmerinnen oder selbstständig, müssen dabei aber nicht unbedingt führen. Auch als Unternehmerin müssen sie sich in einem durch männliche Normen geprägten Umfeld profilieren. Wenn wir als Gesellschaft es schaffen, die dem Weiblichen zugeschriebenen Werte zu leben, unabhängig von unserem Geschlecht, dann wird die Welt sicherlich ein freundlicherer Ort sein.

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