01.01.2015 | Blog

Was Führungskräfte und Eltern gemein haben

Ein Artikel von: Christin Colli

Mit Kindern führen lernen – Was haben gute Eltern und Führungskräfte gemeinsam?

Führungskräfte lernen mit Pferden, ihre Absicht mit klarer körperlicher Haltung in Übereinstim-mung zu bringen, damit diese ihnen folgen. Die Hoffnung ist groß, dass das, was schließlich mit dem Pferd klappt, auch mit den Mitarbeitern funktioniert. In anderen Seminaren wird durch das Beobachten von Leitwölfen einiges über das Führen und Koordinieren eines Rudels abgeleitet. Und dann gibt es Managerkurse, in denen ausgewählte Kinder auf ihre direkte, authentische und pragmatische Art wertvolle Lösungsimpulse für die Probleme dieser Manager liefern. All diese Angebote sind spannend und sicherlich auch lehrreich. Doch sie kosten in der Regel viel Geld und beschränken sich lediglich auf einen kurzen Zeitraum außerhalb des Alltäglichen. Wäre es nicht darüber hinaus naheliegend, einfach die eigenen Kinder für das Entwickeln von Führungskompetenz zu nutzen?

Ich arbeite seit 25 Jahren in unterschiedlichen Kontexten mit Kindern und Eltern, habe zwei ei-gene Kinder, coache Eltern zu Erziehungsfragen. Seit vielen Jahren arbeite ich ebenso mit Füh-rungskräften, welche oft auch Mütter oder Väter sind. Dabei wundere ich mich immer wieder, dass das Potential des Elternseins für die Entwicklung von Führungskompetenz im beruflichen Kontext nur wenig bis gar nicht gesehen und genutzt wird. Ist es zu simpel, die eigenen Kinder als Entwicklungshelfer zu nutzen? Denken wir, was zu einfach ist und nichts zusätzlich kostet, hat nicht so viel wert? Oder was mit Kindern zu tun hat, ist weniger wert?

Wenn ich behaupte, dass man Führungskompetenz auch durch bewussten Umgang mit seinen eigenen Kindern vergrößern kann, beruht dies auf der Beobachtung, dass es viele Gemeinsam-keiten zwischen den Anforderungen an Führungsmenschen und Eltern gibt. Beide haben Erwar-tungen an jene die sie anleiten, die einen an das Engagement und die Qualität der Aufgabener-füllung ihrer Mitarbeiter, die anderen auf verschiedenen Gebieten an ihre Kinder. Beide erleben hin und wieder, dass ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Beide sind mitunter enttäuscht. Führungskräfte nehmen es oft persönlich. Sie fühlen sich verraten und angegriffen. Das ist bei Eltern auch manchmal so, aber Eltern lieben ihr Kind trotzdem, ob dies ihre Erwartungen erfüllt oder nicht. Beide könnten sich jede Menge ungute Gefühle ersparen, wenn sie sehen könnten, dass sowohl Kinder als auch Mitarbeiter, bei allem was vielleicht nicht funktioniert, immer eine positive Absicht mit ihrem Verhalten verfolgen. Die wenigsten wollen wirklich ihrem Chef eins auswischen, nicht nur, weil sie es sich gar nicht leisten könnten. Manchmal wollen Kinder und Mitarbeiter mit ihrem Verhalten im übertragenen Sinne etwas sagen, wofür sie einen sicheren Rahmen und die Gewissheit von echtem Interesse an der eigenen Person bräuchten. Solange es Führungskräften und Eltern so wichtig ist, alles unter Kontrolle zu haben und man Mitarbeiter und Kinder nur scheinbar mitbestimmen lässt, jedoch sofort das Kommando zu sich zurückholt, noch bevor neue kreative Lösungen auftauchen können, fühlen sich sowohl Kinder als auch Teammitglieder nicht ernst genommen, nicht verstanden und gesehen. Sie wissen, dass ihr Chef, ihre Mutter oder Vater ihnen nicht vertraut. Sie werden dieses Ungleichgewicht ausgleichen. Die einen machen dann Probleme, werden aufmüpfig oder ziehen sich zurück. Die anderen gehen subtiler vor, haben dann zum Beispiel Umstände, die das Erledigen der Arbeit verzögern bis verunmöglichen oder sie werden einfach krank.

Führungskräfte sowie Eltern haben im Prinzip auch ähnliche Aufgaben. Eine Führungskraft gibt seinem Mitarbeiter einen Rahmen, so dass dieser seine Arbeit gut erledigen kann. Eltern sollten ihren Kindern einen Rahmen geben, damit diese gut aufwachsen und sich entwickeln können.

Vielleicht erliegen Eltern und Führungskräfte dem Irrglauben, diesen Rahmen nur mit Kontrolle schaffen und erhalten zu können, nach der Devise: Wer führt muss die Kontrolle haben. Ist es nicht eigentlich ganz anders, wenn man mal genauer hinschaut? Wer glaubt kontrollieren zu müssen, befürchtet der nicht im Grunde seines Herzens, dass ihm einfach so als Person niemand folgen würde? Ist Kontrolle nicht ein präventives Mittel oder manchmal auch ein letzter Stroh-halm, auf jeden Fall sein Ziel durchzusetzen? Vielleicht klappt es sogar, aber ist der Preis nicht hoch? Denn ist man nicht letztlich erfolgreich, aber unverbunden und allein oder rings herum ist schlechte Stimmung, weil man sein Ziel um jeden Preis durchgesetzt hat? Heißt Führen nicht vielmehr, den Fokus auf den Rahmen zu legen, klare Vereinbarungen und Bedingungen zu schaf-fen, Prozessen Raum und Zeit zu geben, damit etwas wachsen kann? Käme man nicht weiter und würden Menschen nicht gerne folgen, wenn man während dieser Zeit liebevoll Dinge er-klärt, interessiert nachfragt, manchmal auch „Scheinschwangerschaften“ oder „Fehlentwicklun-gen“ diagnostiziert? Ist es nicht wichtiger und ein Ausdruck von wahrer Führungskompetenz, unterscheiden zu können, wann es die beste Unterstützung für das Ganze ist, auf die Erfüllung einer Aufgabe zu bestehen, und wann es wichtig ist, davon abzusehen und anzuerkennen, was nicht funktioniert, sich einzugestehen, dass die Aufgabe so nicht lösbar ist und damit den Krampf für alle Beteiligten zu beenden? Fällt uns dies nicht leichter mit den eigenen Kindern? Verlieren wir wirklich, wenn wir nachgeben, weil unser Kind zum Beispiel verhandelt, 30 Minuten später ins Bett zu gehen? Und wenn wir uns erlauben könnten, mit der positiven Absicht, Führung zu lernen, an ihnen zu üben, würden wir nicht ziemlich schnell vorankommen, weil Kinder schneller und direkter unser Verhalten spiegeln als jeder Mitarbeiter? Kinder können knallharte Lehrmeister sein. Doch auch Kinder lieben ihre Eltern. Diese Liebe ist ein starkes Band, welches so in keiner anderen Beziehung eine riesige natürliche Ressource darstellt, die persönliche Weiterentwicklung von beiden unterstützt. Und könnten wir nicht alles, was wir mit unseren Kindern lernen, auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen?

Ein Weiser sagte einmal: Die Lösung für ein Problem ist immer simpel, wenn es nicht simpel ist, ist es nicht die Lösung. Wenn man Kindern einen sicheren Rahmen gibt – dazu gehört ein siche-rer Platz innerhalb der Familie, Eltern als echte verlässliche Ansprechpartner, aber auch Zeit und Raum für eigene Kreativität – dann sind Kinder wirklich Meister darin, pragmatische Lösungen zu entwickeln oder ungewöhnliche interessante Sichtweisen in Diskussionen einzubringen. Auch Mitarbeiter brauchen einen sicheren Rahmen, müssen wissen, wo genau ihr Platz in der Firma ist, welche Aufgabe sie haben sowie ob und welchen Spielraum für eigene kreative Ideen es gibt. Und ist es nicht mit den eigenen Kindern viel einfacher, diesen Spielraum zu geben? Das heißt nicht, den andern sich selbst zu überlassen und zu hoffen, dass es dann schon wird. Es bedeutet auch nicht das Problem einfach auf den Mitarbeiter zu projizieren und ihn damit allein zu lassen. Eltern und Führungskräfte haben viel Macht und Verantwortung. Nur ist es systemimmanent, dass man diese nicht für jemand anderen übernehmen kann. Eltern können ihre Kinder genauso wenig glücklich machen, wie ein Chef seine Mitarbeiter (wobei es von den wenigsten Chefs erwartet wird ). Beide können ihre Macht für alle Beteiligten einsetzen, indem sie z. B. Verantwortung für die Gestaltung der Beziehung übernehmen, durch delegieren, moderieren, das Setzen von Grenzen genauso wie durch Unterstützung und Ermutigung, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Sie können Verantwortung für die Kommunikation übernehmen, in dem sie ansprechen, was für sie funktioniert, dies auch wertschätzen. Nicht nach dem Motto: nicht geschimpft ist schon genug gelobt. Beide können neue klare Vereinbarungen treffen, wenn die alten nicht funktionieren und darauf achten, dass alle Beteiligten zustimmen. Um zukünftige Missverständnisse zu vermeiden, ist es dazu hilfreich, nachzufragen, was beim anderen genau angekommen ist.

Viele denken, eine gute Führungskraft ist jemand, der selbst mit gutem Beispiel vorangeht, am meisten arbeitet und auf alle Fragen eine Antwort weiß. Dieser Anspruch erschwert das Führen und auch als Mutter oder Vater ist es menschlich, nicht auf alles eine Antwort und für alles eine Lösung zu wissen. Für alle Beteiligten ist es hilfreich, dies anzuerkennen. Das bedeutet, einfach dazu zu stehen, dass man im Moment auch nicht die Lösung kennt. Trotz Ungewissheit über die Lösung und den Weg dahin kann man echte Zuversicht ausstrahlen, diese zu finden. Gute Eltern und Führungspersonen müssen sich nicht kompetenter geben als sie sind. Sie müssen vielmehr aufrechterhalten, dass es eine Lösung oder Antwort gibt. Darüber hinaus können sie in einen interessierten Austausch darüber gehen, was man befürchtet, worüber man sich sorgt und wie es einem wirklich geht. Sie setzen sich mit Kommunikation dafür ein, die Verbindung zu anderen zu halten. Es braucht immer jemanden, der mehr sieht als das was offensichtlich ist, der mit neugierigen offenen Fragen die Kinder ermutigt und mit ihren Stärken verbindet, die Intelligenz des Teams nutzt und die Ressourcen der einzelnen Teammitglieder identifiziert.

Es ist hilfreich, wenn es jemanden gibt, der die Vision einer Lösung hält und ganz klar auch da-rauf besteht, dass die Möglichkeit des Nichtlösens nicht besteht. Damit wird die Hintertür zum Scheitern geschlossen. Handlungsenergie wird ausgerichtet und auf die Umsetzung der Vision gelenkt. Wenn dann das gewünschte Ergebnis nicht eintritt, ist es sowohl für Eltern als auch für Leader wichtiger, die Vision oder die Aufgabenstellung zu korrigieren. Das erfordert manchmal Mut, aber den hat man ja vielleicht schon mit Pferden und Wölfen gesammelt.

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