03.09.2020 | Blog

Wozu habe ich mich hierher geschickt?

Ein Artikel von: Christin Colli

Wozu habe ich mich hierher geschickt? Diese Frage geht tief! Sie berührt grundsätzliche Aspekte unserer Existenz. Es erfordert Mut, sich diese Frage überhaupt zu stellen. Es beginnt damit, dass diese Frage einen aktiven Anteil impliziert. Nämlich, dass wir nicht zufällig genau hier in diesem Land, in dieser Familie, in diese Konstellation zu dieser Zeit geboren sind, sondern dass wir, schon bevor wir das Licht der Welt erblickten, möglicherweise eine Wahl getroffen haben.

Häufiger wird die so genannte „Sinnfrage“ gestellt. Hat das alles hier einen Sinn? Hat mein Leben einen Sinn? Diese Frage ist insofern einfacher, als sie erst einmal von uns selbst wegführt. Bei der Sinnsuche sind wir außerhalb unserer Selbst unterwegs und hoffen, den Sinn irgendwo her zu bekommen oder ihn irgendwo zu finden: in einer Arbeit, die unseren Vorstellungen entspricht oder in einer Beziehung, die uns erfüllt. Wir gehen dabei davon aus, dass wir, warum auch immer, in dieses Leben hineingeworfen wurden. Der Sinn kommt von außen, aus den Dingen oder anderen Menschen heraus. Diese Sichtweise unterstützt, dass wir uns als getrennte Einzelwesen erleben, denen das Leben „passiert“. In dieser Perspektive haben wir Menschen uns sehr lange aufgehalten. Der Glaube an eine „höhere“ Instanz, die die Welt, uns und unsere Existenz erschuf, unterstützte die Vorstellung, dass wir selbst mit unserer Existenz relativ wenig zu tun haben.

Warum wollte ich diese Erfahrung machen?

Inzwischen hat sich das verändert. Wir sind in unserem modernen Leben mit so vielen Wahlmöglichkeiten konfrontiert, die einen Einfluss darauf haben, welche Richtung unser Leben nimmt, dass es fast unmöglich geworden ist, unseren aktiven Anteil auszublenden. Nun neigen die meisten Menschen dazu, solche Zusammenhänge nur in den Bereichen wahrzunehmen, in denen es ihnen passt und nicht grundsätzlich anzuwenden. Sie meinen zwar, etwas mit den Erfahrungen oder mit den Inhalten in ihrem Leben zu tun zu haben, die ihnen gefallen, die anderen Inhalte schreiben sie aber weiterhin den Umständen zu. Dort findet man auch immer Gründe. Gründe finden ist eine sehr beliebte und verbreitete Methode, sich nicht für sich, das eigene Leben und dann auch nicht für das Ganze, von dem man ein Teil ist, verantwortlich zu fühlen.

Stellen wir uns einmal auf den Standpunkt, dass wir das Leben von Anfang an aktiv mit gestalten. Wenden wir diesen Standpunkt konsequent an, dann entfaltet das Leben eine gänzliche andere Anmutung, es stellen sich andere Fragen. Statt zu fragen „warum ist mir dieses und jenes passiert“, und Gedanken wie: „das oder jenes hätte mir nicht passieren sollen“, fragen wir uns „welche Erfahrung wollte ich machen? Wozu diente diese Erfahrung? Worauf will sie mich aufmerksam machen?“ Wir sind dann ständig auf Schatzsuche. Es gilt in jeder Situation das Geschenk zu entdecken, das diese für mich bereithält. Irgendwann erscheint dann die Frage, wozu habe ich mich hierhergeschickt? Was war wohl meine Absicht, mich als Mensch zu erfahren? Was möchte ich in diesem Leben verwirklichen? Dann beginnt die Magie des Alltags. Jeder Gedanke, jedes Erlebnis, jede Begegnung, jede Intuition enthält Hinweise, um mir meiner eigenen Absicht immer bewusster zu werden. Wenn wir aufmerksam sind, entfaltet sich Stück für Stück unser Weg und mit jedem Schritt, den wir uns trauen, ihn auch zu gehen, fühlen wir uns auf ihm wohler und sicherer. Alle Erfahrungen dienen dieser Reise, immer tiefer zu uns selbst zu kommen und uns dadurch gleichzeitig mit dem großen Ganzen verbunden zu fühlen.

Selbstreflexion gefragt

Wir sind häufig in der Gefahr, bestimmten Erwartungen genügen zu wollen, anstatt wirklich in uns selbst hinein zu lauschen. Die meisten von uns lernen früh, dass es überlebenswichtig ist, den Erwartungen anderer zu entsprechen, um dazuzugehören und emotionale Nähe zu erfahren. „Was die anderen machen“, was „normal“ erscheint, beeinflusst uns deshalb ungemein stark.

Die meisten Menschen brauchen einige Jahrzehnte an Lebenserfahrung, um zu bemerken, dass das, was sie da die ganze Zeit machen, nur ein Teil von Ihnen ist und andere Aspekte ihrer selbst vernachlässigt sind. Manche fragen sich mit Mitte 40 „wie bin ich eigentlich hierher geraten?“. Das kann sich sowohl auf die berufliche als auch auf die private Situation beziehen. Viele Menschen bemerken irgendwann, dass sie gerade auch beruflich keine wirklich bewusste Wahl getroffen haben, sondern dass es einfach immer weiter ging. Vom Studium in einen Job, von dort zum nächsten Angebot, das des Weges kam, usw. Irgendwann merken sie dann, dass sie an sich selbst nicht länger vorbeikommen. Häufig stellt sich zunächst eine diffuse Unzufriedenheit ein. Ein erstes Signal dafür, dass es Zeit ist, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Dies erscheint häufig anstrengend oder klingt wie ein Haufen „Arbeit“. Dabei gibt es wenige Dinge im Leben, die lohnender sind. Viele Menschen befürchten dort entweder Abgründen zu begegnen oder auch „nichts“ zu finden. Das hält sie lange davon ab, sich nach innen zu wenden. Doch wenn sie es dann tun, kommen sie Schicht um Schicht mit sich selbst mehr in Kontakt.

Gefühle zulassen

Dann besteht die Herausforderung, sich den eigentlichen Träumen und Sehnsüchten zu stellen. Gedanken wie, „ich kann aber doch jetzt nicht etwas ganz Neues anfangen“ oder „das hätte ich mir vor zehn Jahren überlegen müssen“, gilt es zu konfrontieren, ohne sich davon abbringen zu lassen, weiter zu forschen. Eine mögliche unterstützende Antwort ist: „weil es mir zu dem Zeitpunkt nicht eingefallen ist“ oder „es blitzte sogar hin und wieder mal auf, aber ich habe mich nicht getraut, es weiterzuverfolgen“. In der Regel haben wir etwas nicht früher getan, weil wir nicht wussten, wie wir es umsetzen sollten oder weil wir Angst hatten vor irgendeiner möglichen Konsequenz. Es ist müßig, sich heute dafür zu verurteilen. Forschen wir lieber und verfolgen es dieses Mal weiter. Das bedeutet, sich immer tiefer in sich selbst vorzuarbeiten. Die Herausforderung besteht darin, an dieser Stelle weiterzumachen, sonst drehen wir noch eine Runde. Auch das ist eine Möglichkeit, die eine durchaus achtenswerte Wahl sein kann. Trauen wir uns dieses Mal jedoch, einen Schritt weiter zu gehen, dann beginnen wir langsam etwas zu spüren, das uns zunehmend inspiriert. Wir kommen mit einem Gefühl in Kontakt, das wir uns lange nicht mehr getraut haben zu fühlen. Es fühlt sich warm und lebendig an. Als Kind haben wir uns öfter so gefühlt. Bei den meisten von uns gab es eine oder mehrere Phasen im Leben, in der dieses Gefühl häufig präsent war. Irgendwie war es uns abhandengekommen. Wir beginnen, uns auf dieses neue alte Gefühl einzulassen und seinen Handlungsimpulsen zu trauen. So ein Handlungsimpuls kann bedeuten, dass wir plötzlich den eingeschlagenen Weg ändern, in die Buchhandlung fahren und uns von einem Buch finden lassen, das uns den nächsten Schritt weist oder irgendetwas anders machen als gewohnt. So gelangen wir Schicht um Schicht zu immer tieferen Wünschen und Träumen.

Der große Traum

Der Kontakt mit uns selbst wird merklich deutlicher und unser innerer Navigator führt uns unaufhaltsam weiter. Schließlich erreichen wir eine sehr tiefe Schicht und dann passiert etwas Interessantes: Plötzlich merken wir, dass unsere tiefsten Sehnsüchte und Träume, unser tiefstes einzigartiges Innerstes, verbunden ist mit dem von vielen, vielen anderen Menschen. Und nicht nur das, wir beginnen zu spüren, dass auch andere Lebewesen, ja alles, was ist, ein Teil dieses Traums ist. Die Erde selbst träumt diesen Traum. Das ist ein starker Moment. Die Illusion von Getrenntheit löst sich auf, sie zerfällt in unserem eigenen Inneren und wir spüren, wie alles mit allem verbunden ist und in Beziehung steht. Es ist kein statisches, sondern ein höchst dynamisches mehrdimensionales Gesamtbewegungskunstwerk. Woran merken wir, dass wir unseren Traum leben? An spürbarer Liebe zu uns selbst, zu anderen Menschen und zum Leben, an einem konstruktiven Umfeld, an dem Gefühl von Balance und Stabilität in der Bewegung.

 

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